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Für die Freiheit entflammt

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Von Verzweiflung zur Vision: Arno Boas‘ Theaterstück fordert zum Nachdenken auf!

Fränkische Nachrichten Plus-ArtikelPremiere des Bühnenzinnobers in Niedersteinach

Im Theaterstück „Für die Freiheit entflammt“ von Arno Boas begegnen sich die düstere Geschichte des Bauernkrieges von 1525 und die Fragen der Gegenwart und Zukunft. Mit eindrucksvollem Schauspiel und der bewegenden Geschichte über Unterdrückung und Aufruhr wirft das Stück einen kritischen Blick auf die Freiheit, die die Menschen einst erkämpften – und die wir heute immer mehr zu verlieren scheinen. Die Aufführungen finden bis 18. Juli in Niedersteinach statt.

Bedrückende Szenen spielten sich vor 500 Jahren im Taubertal ab. Arno Boas hat in seinem aktuellen Stück über das Thema „Freiheit“ aber nicht „historisiert“, sondern fragt nach Motivation und Auswirkung des „Bauernkriegs“ bis ins Heute hinein. © Michael Weber-Schwarz

Creglingen. Unterdrückung, Protest, Aufruhr, Vergewaltigung, Mord und Totschlag: All das fand von 500 Jahren nicht irgendwo statt, sondern gewissermaßen vor unseren Haustüren. Der „Bauernkrieg“ ist ein komplexes Phänomen in der Reformationszeit ¬– er brachte bei allen Verbrechen und Ungerechtigkeiten auch (eine gewisse) Freiheit für die Menschen.

Geben wir die erstrittene Freiheit jetzt wieder unüberlegt und leichtfertig weg? Eine Frage, die der Creglinger Autor Arno Boas zu Recht stellt. Im Drei-Szenen-Stück „Für die Freiheit entflammt“ wird nämlich auch in die Zukunft geblickt, aufs Diktat der neuen Medien, auf Klick-Wahnsinn und künstliches Essen samt Gedankenkontrolle. Was die Bauern um 1525 zumindest im Grundsatz errungen haben - eben die Freiheit - das lassen heutige Menschen quasi freiwillig davonziehen.

 

Freiluft-Szenen an drei Spielorten

Drei Szenen, drei Zeitebenen. Es spielt das hoch engagierte Ensemble des Reinsbronner Bühnenzinnobers. Freiluft an drei Spielorten im Dorf Niedersteinach. Das ist mit Bedacht gewählt, denn die nahe Burg Brauneck war ein historischer Ort im so genannten Bauernkrieg ¬– Kampfhandlungen zogen sich von Rothenburg das ganze Taubertal hinunter.

Nur auf Belagerungen und bevorstehende Scharmützel reduziert Arno Boas auch in seiner ersten Szene der Zeitschiene nicht. Es will die inneren Konflikte der Menschen darstellen. Auch die Bauern gehören verschiedenen Lagern an. Die Lehren Martin Luthers von der Gleichheit und dem Priestertum aller Gläubigen, sie fallen bei den Bauern und Leibeigenen auf fruchtbaren Boden. Und der wurde schnell furchtbar: „Katholische“ Nonnen werden in Schäftersheim von „Evangelischen“ vergewaltigt.

Boas zieht (unter der Regie von Peter Warkentin) die Ereignisse gekonnt zusammen, mutet dem Zuschauer die historisch tatsächliche Brutalität der Ereignisse aber nicht zu. Wer da gefangengenommen wurde und an den Baum gefesselt, der kommt zumindest im Stück auch wieder frei. Die Andeutung möglicher Verbrechen genügt. Auch für spielerischen Humor ist Platz beim Gemüseschnippeln und -stehlen. Trotzdem wird die Motivation der geknechteten Bauern für ihre Aufstände klar: „Das Fegfeuer haben wir schon zu Lebzeiten“, sagt ein Kämpfer und schnitzt an einem Holz-Speer. Ein subtiler Hinweis aufs Scheitern der Revolution. Die Obrigkeit hat die besseren Waffen und die ausgebildeten Söldner. Sie wird den Aufstand blutig niederschlagen und die Köpfe rollen lassen.

Auch der aufs argumentative Schild gehobene Luther wird den Bauern schnell in den Rücken fallen. Nach der so genannten „Weinsberger Bluttat“ wendet er sich gegen die ausgebeuteten Aufständischen: „Man soll sie zerschmeißen, würgen, stechen, heimlich und öffentlich... wie einen tollen Hund“. Eine fragwürdige Rolle des Reformators, die im Stück aber nicht Thema ist.

Auch Geyer-Lied hinterlässt Fragezeichen

Sprung in die Gegenwart: Eine Schulklasse muss sich, quasi als Strafarbeit, in der Theater-AG mit einem historischen Thema beschäftigen. Sie landet beim Bauernkrieg, aber erst, nachdem die allgegenwärtigen Mobiltelefone eingesammelt sind. So richtig Lust haben die Schüler auf das ganze Gespiele nicht. Die Schulhof-Streitigkeiten samt Würgegriff für die Schwachen: die würden im Internet Klicks bringen. Man muss nicht zu viel verraten, aber die Gruppendynamik (und Szenen-Regisseur Arno Boas) bringen dann doch so etwas wie ein Stück im Stück zustande.

„Spieß voran, drauf und dran – setzt aufs Klosterdach den Roten Hahn!“ Die von den Schülern gesungene Quasi-Hymne von „Geyers schwarzem Haufen“ ist der unverhohlene Aufruf zum Mord an Pfaffen und Adligen. Sie stammt bis auf zwei Zeilen nicht aus der Bauernkriegszeit, sondern wurde erst nach dem Ersten Weltkrieg gedichtet. Wen wundert‘s: Nazis und DDR-Polit-Kader haben das Lied zurechtgebogen instrumentalisiert und gleichermaßen singen lassen. Fragwürdig also. Aber Fragen soll Theater auch stellen.

Total-Überwachung als „Notwendigkeit der Zeit“?

Ein Blick in die mögliche Zukunft (dritte Szenen-Station): Alles ist zum Wohl der Menschheit endlich komplett reguliert. Wer „tierisches Fleisch“ (oder auch nur echtes Gemüse) essen will, bekommt es mit einer Art Gesinnungspolizei zu tun. Die Delinquenten kommen ins „Erneuerungszentrum“ und fragen sich dort, was sie denn „so Schlimmes gemacht“ haben. „Ich gebe zu, ich habe gekocht“, sagt eine Figur im Verhör mit zwei roboterartigen Wesen. Überwachung ist die „Notwendigkeit der Zeit“, heißt es. Umerziehung im Konzentrationslager, getarnt als freundliche Wellnesseinrichtung.

Hier langt Regisseur Peter Warkentin mit dem Boas-Text richtig hin: Science-Fiction-Filmklassiker wie „Blade Runner“ (die Frage nach der menschlichen Echtheit), „Logans Run“ (Eingesperrt: Wie wäre ein Leben in Freiheit?) und „Soylent Green“ (Ökokatastrophe und die fatalen Konsequenzen) werden humorvoll verwoben. Da kann man lachen – und kann es am Ende nicht mehr, weil man als Zuschauer feststellt, dass der Zug schon lange angefahren ist.

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